Thema: Graue Commerzbank – oder dunkler?
Die Commerzbank ist nicht die einzige Sünderin.
Im Winter 2008 /2009 war sie vom Staat als systemrelevant mit Euro 18 Milliarden gerettet worden. Danach hatte sie sich gegen die Graumarktaktivität in der Bankbranche positioniert. Der bisherige Vorstand, Blessing, weist zum Abschied einen hohen Überschuss nach. Sein Nachfolger, Zielke, wird dieses Glück nicht haben. Das erste Quartal 2016 wies nur noch einen halbierten Quartalsgewinn auf. Ein schwerer Start (FAZ 2016-05-04; S.22)!
Der Gewinn beinhaltet Erlöse aus Geschäften, die beim Finanzministerium keine Freude bereiten. Seit Jahren realisiert das Institut Einnahmen aus Aktiengeschäften mit ausländischen Partnern, die der Staat bezahlt – Cum-Cum-Geschäfte!
Dabei handelt sich um Transaktionen in Verbindung mit Dividenden, die Unternehmen an ihre Anteilseigner ausschütten. Ausländische Aktionäre müssen Kapitalertragsteuer zahlen, die sie nicht wie Inländer verrechnen können. Cum-Cum macht es möglich, dass Dritte, z. B. Bankinstitute jeder Couleur, die Dividenden stellvertretend vereinnahmen, während sie die Aktien für kurze Zeit halten. Ihr Ziel ist mit dem dauerhaften ausländischen Eigentümer den eigenen Steuervorteil zu teilen.
Dem Fiskus sollen Euro 12 Milliarden entgangen sein. Das ist etwa das Zwanzigfache des auf Basis des letzten Quartalsergebnisses der Commerzbank hochgerechneten Jahresgewinns für 2016. Dies hat der Gesetzgeber mangels genauer Erkenntnisse bisher geduldet. Die teilweise verstaatlichte Commerzbank hat diese Transaktionen in großem Stil getätigt. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ist wach geworden und hinterfragt die Möglichkeiten dieser Unmöglichkeit.
Unser Staat scheint sehr fürsorglich mit Instituten umzugehen, die sich in seinem Eigentumsbereich befinden:
Die Bundesdruckerei hat einen Teil ihrer positiven Geschäftsergebnisse mithilfe der Kanzlei Jürgen Mossack /Fonseca nach Panama ausgegliedert.
Die Commerzbank gleich aus unternehmerischer Tätigkeit fehlende Gewinne mithilfe dubioser Einnahmen aus. Das Wort „dubios“ kann stehen bleiben, denn strafbare Cum-Ex-Geschäfte…
Die Deutsche Bank passt in die Reihenfolge des Alphabets und hat sich in den letzten Jahren – besonders im Ausland – nicht durch zweifelsfreie Geschäfte ausgezeichnet.
Zurück zum C:
Zu den Cum-Ex Geschäften hat die Commerzbank „ proaktiv einen Zwischenbericht an die Steuerbehörden übermittelt (Mitteilung des Bankinstituts vom April 2016) – allerdings nicht auf eigene Initiative, sondern aufgrund eines Untersuchungsberichts von PriceWaterhouse Coopers!
Cum-Cum und Cum-Ex sind Spielarten des Dividendenstrippings; bei Letzteren wird zusätzlich über Leerverkäufe und Scheingeschäfte verschleiert, wem genau die Aktien bei Dividenden-zahlung gehören. Gleich mehrere Marktteilnehmer lassen sich die von den Dividenden abgezogene Kapitalertragsteuer bescheinigen, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde.
Unstreitig ist, dass die von der Commerzbank übernommene Dresdner Bank bis 2009 die verbotenen Geschäfte (Cum-Ex) tätigte – wie die Commerzbank selbst auch bis 2008.
Heute versichert die Commerzbank, dass sie durch interne Systeme und Kontrollen sicherstellt, dass alle Handelsgeschäfte im Einklang mit geltendem Recht stehen. Ein Detail, dass dem Staat ungewollt eine zweistellige Milliardensumme fehlt, denn es gibt in Deutschland nicht nur eine Bank, nicht nur die Commerzbank. Offensichtlich ist der Glaube an diese Behauptung bei den Aktionären nicht zu stark. In der ersten Maiwoche ist die Commerzbank Aktie in der Spitze um 11% gefallen – der größte Tagesverlust seit Jahren!
Wie bei anderen Staaten sehen auch die deutschen Steuerbehörden einen Gewinn nur dann als relevant an, wenn er aufgrund eines erkennbaren wirtschaftlichen Zwecks entstanden ist. Verschiebungen zwischen Konten zählen nicht dazu. Das hat der deutsche Finanzminister, Herr Schäuble, zulasten des Steuerzahlers nach fünf Jahren gemerkt. Leider kann er daran nichts Strafbares finden, weil ein dazu geeignetes Gesetz nicht besteht. Er gibt deshalb die entgangenen Steuereinnahmen durch umstrittene Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag (Cum-Cum) verloren (FAZ 2016-05-06). Dabei unterscheidet Schäuble zwischen legal (ja) und legitim (nein). Legitimer Missbrauch mit dem alleinigen Ziel der Steuerminderung kann und will der Staat nicht sanktionieren. An dieser Stelle hilft eine Gesetzesänderung – diese soll zeitnah stattfinden.
Da aber Cum-Ex Geschäfte nicht abgestritten werden, dürften die Verstöße strafrechtlich relevant sein. Dabei wird die neue Form der Rechtsprechung zum Tragen kommen können, nach der nicht das Institut die Straftat verantwortet, sondern die natürliche Person, die sie veranlasst hat. Mit der Strafe des Instituts ist der Verantwortliche des Instituts nicht exkulpiert.
Auch Banker zählen zur deutschen Bevölkerung – und die hat Wissensdefizite über Ökonomie und Finanzen. Bildung und Schulpolitik stehen nicht im Einklang mit den Aufgaben, die im Beruf mit Finanzen verlangt werden. Dazu gehört auch die Feststellung, dass Banker – studiert oder „nur“ ausgebildet – in Schulen und Universitäten meist ihre Kenntnisse in Aufgaben über Multiple Choice vermitteln. Dabei wird gern auf auswendig Gelerntes zurückgegriffen, was, wie die Hirnforschung weiß, nach einigen Monaten ersatzlos vergessen ist. Vielleicht wissen einige Banker gar nicht mehr, was Sie wissen müssen.
Wie viele Banken betroffen sind, kann nicht überschaut werden. Über DEKA hat der Verfasser vor einem Monat berichtet. Dazugibt es eine Auffassung des Finanzgerichts Kassel: demnach sind Aktien im außerbörslichen Handel erst dann im Besitz des Käufers, wenn sie geliefert wurden.
Andererseits sei es doch so, dass von der üblichen Ansicht auszugehen sei, nach der schon Eigentümer einer Sache wird, wenn ein Kaufvertrag geschlossen wurde. Im Hinblick auf die juristische Lehre kann der Verfasser nur auf die angehenden Juristen gewährten Vorlesungen – nicht nur beim Übergang von Immobilien – verweisen:
Erwerb und Besitz mögen Grundlage für ein später zu erlangendes Eigentum sein.
JPM
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