Zufälle sind wild, grau und unberechenbar

Anleger und ihr Handeln nach Zufall ohne Vernunft

Der Zufall hat ein Vorspiel. Viele Erfindungen wurden als „göttliche Geschenke“ definiert und waren nach zufälliger Beobachtung entstanden, die sich entweder als Schlüsselbaustein für ein noch ungelöstes Problem erwies oder die Chance zu einer sinnfälligen Innovation offenbarte.

Tatsächlich stand der Zufall bei mehr Erfindungen und Innovationen Pate, als ihre Schöpfer bereit waren einzugestehen. Wir gewinnen den Eindruck, dass die „Erscheinungen“ in unserer Umwelt natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind und im Überfluss Lösungen für unsere Probleme bereithalten – wenn wir nur willens und in der Lage sind, sie wahrzunehmen.

In diesem Sinne will uns die Methode der Reizwort-Analyse veranlassen Dinge und Ereignisse unseres Umfeldes bewusst und aufmerksam zu erkennen. Die Anregung uns damit auseinanderzusetzen, um Neues zu entdecken, sollte für uns Prinzip sein, einen Ablauf oder eine Gestaltung wahrzunehmen, um eine Idee anzustoßen, wie ein Problem gelöst werden kann.

Die Auswahl der Dinge, von denen wir Anregungen erhoffen, sollte keinesfalls spekulativ sondern absichtsvoll zufällig erfolgen. Sensationsnachrichten gehören nicht dazu. Berichte über in der Zukunft erfolgreiche Medikamente dürfen wir mit erwartungsvoller Freude entgegennehmen – und abwarten, ob sich der Erfolg in den nächsten Jahren einstellt. Wortteile wie „Bio-“ beweisen nicht zwingend, dass sich der Erfolg auf die Wirkungen eines Medikaments bezieht. Daraus ff. Investitionen sind grau, weil sie nicht genau zeigen, wohin der Weg führt. Das haben die Anleger anlässlich der Internetkrise beim Wechsel des Jahrtausends (im Nachhinein) erkannt.

Menschen ordnen Gegenständen Vorrang ein, wenn sie meinen starke Ähnlichkeit mit anderen Objekten aus einer anderen Gruppe zu erkennen. Die Schlussfolgerungen, dass die Zuordnungen der Gruppen aufgehoben sind, können zu finanziellen Schäden führen. Wenn ein Mensch aussieht wie ein Arzt, muss er kein Arzt sein. Das gilt auch für Hafenarbeiter. Diese oberflächliche Betrachtungsweise kann heute mehr verführen als früher. Investitionen in Unternehmen mit dem Augenschein einer bestimmten Unternehmenspolitik können populistische Entscheidungen sein, die zum wirtschaftlichen Desaster führen.

In der Politik ist das nicht anders. Das ist die einfache Welt der Mitmenschen, die Schlussfolgerungen auf die Parteien mit charismatischen Führungspersönlichkeiten zieht, diese wählt und Jahrzehnte später in der Katastrophe erkennt, dass nicht alles durchschaut worden ist. In der heutigen Zeit lernen wir dies mit dem Verhalten charismatischer Populisten kennen – wenn wir es verstehen und uns die Furcht davor schützt solche Personen zu wählen.

„Repräsentativitätsheuristik“ hat der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann diese mentale Abkürzung genannt. Dabei klassifizieren wir viele Dinge, Menschen und Vorgänge nach ihrer Repräsentativität. Wer einen grauen Anzug trägt ist ein Banker oder auf dem Weg zu einem. Diese Strategie erscheint klug und zeitsparend, kann aber zu Fehlentscheidungen führen, wenn wir uns dabei noch mit dem Zufall beschäftigen.

Menschen definieren den Zufall als ungeordnet, chaotisch und wirr. Jedes Spiel ist und wird in seinem Verlauf so sein. Im Umkehrschluss ist unser Leben ein Spiel und nur dann erfolgreich, wenn es auf Chaos basiert – mit dem Ziel die Ordnung herzustellen. Solange wir damit beschäftigt sind, ist das Chaos für unser Leben hilfreich. Daraus resultiert die Spieltheorie. Irrtümlich glauben die meisten Menschen, dass Ordnung nicht aus dem Chaos entsteht. Sie glauben nicht, dass ein Zufall Muster erzeugt, weswegen Muster immer eine Bedeutung für uns haben, auch wenn sie Zufall sind. Am Kapitalmarkt betrifft dieser Analysen, die manchmal kongruent erscheinen, bei denen aber dennoch die zweite Analyse zu einem anderen Ergebnis führt als erste.

Das kann dazu führen, dass wir die Ergebnisse nicht differenzieren, sondern so grau belassen, wie wir sie wahrnehmen. Zufällige Kurskonstellationen werden mit Bedeutungen geadelt, die Chartanalysen zum Narrengold machen – verbunden mit der Meinung, dass sich die Vorstellung vom Zufall über alle widerspiegelt. Dies wird oft mit der Idee verbunden, dass Serien nicht zufällig sein können. Selten wiederholen sich Ergebnisse mit den gleichen Vorzeichen wie vor Jahren.

Sollte diese Erkenntnis gewonnen werden, steht ihr entgegen, dass negative Lehren dennoch verwertet werden müssen. Damit sind schlechte Entscheidungen gemeint, die aufgrund früherer Erfahrungen ohne Zufall auf die Entscheidungsträger zukommen. Damit stehen Zufälle ohne analytische Erkenntnisse den Erkenntnissen gegenüber, die sich aufgrund ihres technischen Verlaufs und aufgrund der Mitwirkung von Menschen nicht ändern. Der Kapitalmarkt ist ein Indiz für diese Feststellung. Das sind die Fehler seit der Tulpenkrise im 17. Jahrhundert, die sich nahezu deckungsgleich wiederholen und selbst durch die Digitalisierung – oder gerade deswegen – nicht auszumerzen sind.

Zufälle können günstig sein, wenn sie die Erfahrungen der letzten Jahrhunderte nicht ausschließen. Dabei dürfen wir zufälligen Ereignissen nicht nachträglich einen Sinn verleihen. Bei wiederum blindem Verfolgen dieser Grundlagen kommt es zum „Spielerirrtum“:

Das ist die Meinung, dass ein Trend enden muss. Wenn im Casino viermal hintereinander rot erscheint, entspricht es nicht unsere Vorstellung vom Zufall, dass dieser Trend noch einmal Bestand hat. Der Leser erkennt drei Widersprüche, die aber in der Realität zusammenpassen. Das betrifft die Unterscheidung von privaten und professionellen Investoren am Aktienmarkt:

Die einen glauben, dass die Aktien steigen, weil sie das im letzten Jahr getan haben. Die anderen unterliegen dem Spielerirrtum, nach dem einem guten Jahr ein schlechtes Jahr folgen muss. Zwischen beidem gibt es keinen Zusammenhang. Die Folge ist die Repräsentativitätsheuristik, nach der zufälligen Ereignissen eine ungerechtfertigte Bedeutung beigemessen wird.

Investitionsentscheidungen werden auf der Basis zufälliger Ereignisse einen Sinn verliehen. Das ist nicht die beste Entscheidungsgrundlage, denn ein Zufall ist so wild und unberechenbar, dass er auch Muster erzeugt. Wenn wir nicht lernen, dass so etwas möglich ist, machen wir uns zum Narren des Zufalls. Repräsentativität ist keine gute, sondern eine graue Investmentgrundlage.

JPM

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